Nachruf Prof. Dr. Hans Jürgen Gurland

: Prof. Dr. med. Hans Jürgen Gurland ist am 3. März 2025 verstorben.

Prof. Dr. med. Hans Jürgen Gurland

Herr Professor Dr. Hans Jürgen Gurland wurde 1930 in Riga geboren. 1951 begann er das Medizinstudium in Münster, das er ab dem Wintersemester 1954/55 in München fortsetzte und 1957 mit den Staatexamen abschloß. Von 1960 bis 1974 war er wissenschaftlicher Assistent an der von Prof. Schwiegk geleiteten I. Medizinischen Klinik der Universität München. 1961 erlernte Herr Gurland in Hamburg bei C. Moeller das Verfahren der Hämodialyse, das er in München zur Behandlung akuter Nierenversagen einführte. Zwei Jahre später folgten mehrmonatige Aufenthalte in den USA bei B. Scribner (Seattle) und W. J. Kolff (Cleveland), die mit unterschiedlichen Beiträgen die Ära der Dauerdialysebehandlung bei chronisch Nierenkranken begründeten. Mit den in den USA erlernten Kenntnissen konnte unter der Leitung von Herrn Gurland im Oktober 1963 auch in München ein chronisches Dialyseprogramm begonnen werden. In den folgenden Jahren erlernten viele in- und ausländische Kollegen unter seiner Anleitung die Technik der Dialysebehandlung. Dem Engagement von Herrn Gurland ist es zu verdanken, daß im Mai 1968 die ersten Patienten für die Heimdialysebehandlung trainiert werden konnten, womit die damals knappen Dialysebehandlungskapazitäten erweitert werden konnten. Folgerichtig übertrug ihm 1976 das Kuratorium für Heimdialyse und Nierentransplantation die Leitung des ersten bayerischen Dialysezentrums in München-Martinsried.

Herr Gurland gehörte der European Dialysis and Transplant Association (EDTA) seit deren Gründung im Jahre 1968 an. Er war maßgebend an der Etablierung der Registratur der EDTA beteiligt, die er von 1969 bis 1976 leitete. Hierzu gehörte der Aufbau einer umfassenden Datenbank, in der alle in Europa mit Dialyse bzw. Nierentransplantation behandelten Patienten erfaßt wurden. Die Daten erlaubten eine wissenschaftliche Auswertung dieses neuen und medizinisch noch unbekannten Patientenkollektivs hinsichtlich verschiedener Aspekte, wie z.B. bezüglich der Inzidenz des chronischen Nierenversagens in den einzelnen Ländern, der renalen Grunderkrankungen der Dialysepflichtigkeit, der eingesetzten Dialyseverfahren, des Standes der Nierentransplantation sowie der Begleiterkrankungen und der Todesursachen. Die Daten bildeten auch die Grundlage für die Projektierung der Dauerdialyse durch die nationalen Gesundheitssysteme in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern. Der Aufbau dieser Datenbank ist ganz entscheidend mit dem Namen von Herrn Gurland verbunden. Die damals hochaktuellen Daten des EDTA Registry wurden von Herrn Gurland wissenschaftlich aufgearbeitet und im Jahre 1973 habilitierte er sich mit dem Thema „Prognose der Langzeitbehandlung terminal Nierenkranker durch Dauerdialyse oder Nierentransplantation“ an der Medizinischen Fakultät der LMU München.

Im Herbst 1974 wurde Herr Gurland zum Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des neuen Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität in München-Großhadern berufen, wo ihm die Leitung der Nephrologie übertragen wurde. Im Mai 1979 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor und am 1.9.1980 zum C3-Professor für Innere Medizin. Die Nephrologie als Teilgebiet der Inneren Medizin wurde von ihm in Forschung, Lehre und Krankenversorgung bis zu seiner Emeritierung am 30.09.1995 vertreten. Während dieser Zeit führte Herr Gurland 1979 die Membranplasmapherese als neues extrakorporales Verfahren u.a. zur Behandlung bestimmter Immunerkrankungen ein und entwickelte dieses Verfahren weiter (spontane Membranplasmapherese, Kaskadenfiltration, Adsorptionsplasmapherese). Sein besonderes Interesse galt dabei auch den verschiedenen Lipidaphereseverfahren, die von seiner Gruppe charakterisiert (Kaskadenfiltration, Dextransulfat-Adsorption, Heparin-induzierte Extrakorporale Lipoprotein-Präzipitation [H.E.L.P.-Verfahren]), mitentwickelt (Direkte Adsorption von Lipoproteinen aus Vollblut [DALI-Verfahren]) und auch routinemäßig klinisch eingesetzt wurden.

Einen weiteren wissenschaftlichen Schwerpunkt stellten die Untersuchungen zur Biokompatibilität extrakorporaler Kreisläufe sowohl unter klinischen Bedingungen als auch im Labormaßstab dar. So gelang es seiner Gruppe einen miniaturisierten Kreislauf zu entwickeln, in dem unter sehr kliniknahen Bedingungen die Blutverträglichkeit neuer Materialien getestet werden konnte, ohne daß hierzu Patienten involviert werden mußten oder Tierversuche notwendig waren.

Herrn Gurland ist es auch zu verdanken, daß seine Gruppe bereits 1987 Dialysepatienten mit schwerer renaler Anämie mit dem gerade erst für Studien verfügbaren rekombinanten humanen Erythropoietin behandeln konnte.

Herr Gurland war aktives Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Fachgesellschaften auf dem Gebiet der Nephrologie und der künstlichen Organe. Dieses Engagement fand u.a. seine Anerkennung darin, daß er sowohl von der International Society for Artificial Organs (ISAO) als auch von der European Society for Artifical Organs (ESAO) zu deren Präsident gewählt wurde. 1976 war er gemeinsam mit Prof. Dr. E. Buchborn Tagungspräsident der Jahrestagung der Gesellschaft für Nephrologie und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie. 1987 organisierte Herr Gurland den ersten gemeinsamen Kongress von ISAO und ESAO in München.

Herr Kollege Gurland hat sich große Verdienste bei der Etablierung der Dialysebehandlung von akut und chronisch Nierenkranken im süddeutschen Raum erworben, auch dafür wurde ihm 2002 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Unsere Anteilnahme gilt seiner Frau und seinem Sohn und dessen Familie.

Walter Samtleben, Michael Fischereder, Ulf Schönermarck

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