Stärkung der Heimdialyse: DGfN legt 10-Punkte-Plan vor

: Heimdialyseverfahren sind in Deutschland unterrepräsentiert. Die im Rahmen des Innovationsfonds geförderte MAU-PD-Studie identifizierte Faktoren für den geringen Anteil der Heimverfahren. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie zog Konsequenzen und entwickelte einen 10- Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse und Nierentransplantation.

Nierenerkrankungen sind sehr häufig, etwa 10% der Bevölkerung in unserem Land leidet an einer chronischen Nierenerkrankung – die meisten Betroffenen, ohne es zu wissen. Dabei sind Nierenerkrankungen von höchster Bedeutung mit Hypertonie, drohender Dialyespflicht und einer gesteigerten kardiovaskulären Erkrankungsrate mit Schlaganfall und Herzinfarkt. Daraus entstehen enorme Belastungen für den einzelnen und exorbitante sozioökonomische Belastungen für die Gesellschaft. Wenn die Nieren dann versagen, müssen ihre Funktionen ersetzt werden. Die Verfahren hierzu sind die Dialysetherapie und die Nierentransplantation.

Die Dialysetherapie kann in einem Zentrum oder zu Hause (Heimdialyse) durchgeführt werden. Eine Möglichkeit der Heimdialyse ist die Bauchfelldialyse. Die Multidimensionale Analyse der Ursachen für die niedrige Prävalenz der ambulanten Peritonealdialyse in Deutschland (MAU-PD) zeigt, dass in Deutschland die Bauchfelldialyse im internationalem Vergleich stark unterrepräsentiert ist [1]. So wird die Bauchfelldialyse nur von 5,4% der Betroffenen durchgeführt, während ihr Anteil z.B. in Hong Kong 79,4 % und in Schweden 23,8 % beträgt. Dabei halten 92% aller Nephrologinnen und Nephrologen die PD und die HD (=Hämodialyse/Zentrumsdialyse) für medizinisch gleichwertig. Fragt man Nephrologinnen und Nephrologen, mit welchem Verfahren sie sich selbst, wenn sie betroffen wären, behandeln würden, gaben 91% an, ein Heimverfahren zu wählen.

Ziel der im Rahmen des Innovationsfonds geförderten MAU-PD-Studie war es, Faktoren zu identifizieren, die für die in Deutschland im internationalen Vergleich niedrige PD-Rate ursächlich sind. Im Ergebnis wurden folgende Faktoren beschrieben [1]:

  • Mangelnde Information der Patientinnen und Patienten: 41% waren nicht informiert, dass es verschiedene Dialyseverfahren gibt, 50% wussten nicht, ob ihr Nierenzentrum auch PD oder Heim-Hämodialyse anbietet.
  • Strukturelle Defizite: 30% der Zentren haben keine PD-Pflegekraft und es gibt in einem Nierenzentrum für durchschnittlich 140 Patientinnen und Patienten im Durchschnitt 4,6 Ärztinnen und Ärzte, von denen 44% zusätzlich im Krankenhaus tätig sind.
  • Aus- und Weiterbildung: 61% der befragten Ärztinnen und Ärzte hätten sich mehr PD-Inhalte in der Facharztausbildung gewünscht.
  • Wirtschaftliche Barrieren: Es bedarf 10,5 PD-Patientinnen/PD-Patienten, bevor das Verfahren für ein Dialysezentrum wirtschaftlich ist.

„Die DGfN möchte wie auch der G-BA die Heimdialyse und die Nierentransplantation in Deutschland unter Berücksichtigung des individuellen Patientenwohls fördern“, erklärt DGfN-Präsident Prof. Dr. Hermann Pavenstädt, Münster. „Wir haben dazu einen 10-Punkte-Plan ausgearbeitet, den wir nun gemeinsam mit Unterstützung des G-BA sowie der Gesundheitspolitik umsetzen möchten. Wir hoffen, damit perspektivisch den Anteil der Heimdialyse in Deutschland erhöhen zu können und die Nierentransplantation zu stärken.“

  1. http://www.maupd.uni-koeln.de/wp-content/uploads/2020/03/MAUPDErgebnisflyerDruckhelden.pdf

Pressekontakt

Geschäftsstelle der DGfN

Telefon: +49 30 258 009 40

10-Punkte-Plan der DGfN zur Stärkung der Heimdialyse und Nierentransplantation

  1. Die DGfN erarbeitet derzeit in einfacher Sprache formulierte, standardisierte Aufklärungsmaterialien über sämtliche Verfahren der Nierenersatztherapie inklusive der Nierentransplantation als Bestandteil der Qualitätssicherungsrichtline (QS NET - DIAL). Behandelnde Ärztinnen und Ärzte sowie patientenberatende Organisationen sollten ihre Patientinnen und Patienten auf die frei zugänglichen Informations- und Beratungsmöglichkeiten hinweisen. Somit wird sichergestellt, dass sie einheitlich informiert werden und in der Folge zusammen mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzte besser in der Lage sein werden, eine informierte Entscheidung (Stichwort: informed consent) über ihren Behandlungsweg treffen können.
  2. Patientenorganisationen sollen stärker in Qualitätssicherungsverfahren miteinbezogen werden, indem der Zugang zu den Fachkommissionen auf Länderebene erleichtert wird.
  3. Die Sicherstellung der Durchführung aller Dialyseverfahren während der fachärztlichen Aus- und Weiterbildung mit entsprechender Anpassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO). Im Rahmen der Ausbildung muss sichergestellt werden, dass Nephrologinnen und Nephrologen für alle zur Verfügung stehenden Dialyseverfahren und für die Nierentransplantation inklusive Nieren-Lebendspende sensibilisiert werden und in der Lage sind, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige zu befähigen, gemeinsam mit den Behandlern eine informierte Therapieentscheidung zu treffen.
  4. In den klinischen Weiterbildungsinstitutionen sollte die Möglichkeit zur Durchführung aller Formen der stationären und ambulanten Nierenersatztherapie gegeben werden.
  5. Die Ausweitung der Telemedizin zur Stärkung der Heimdialyse: Durch das Digitale-Versorgung- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurden bereits wichtige gesundheitspolitische Schritte in der telemedizinischen Versorgung unternommen. Eine vereinfachte Kommunikationsmöglichkeit zwischen Betroffenen und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten führt zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl während der Heimtherapie und kann dazu führen, dass sich mehr Patientinnen und Patienten für diese Verfahren entscheiden.
  6. Die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für jegliche Form der Dialyseverfahren: Nur eine dem jeweiligen Nierenersatzverfahren angemessene Vergütung kann zu einem gleichberechtigten Therapieangebot führen, das auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten ist.
  7. Die Einführung eines Nationalen Nierenplans und eines Disease-Management-Programms (DMP) für chronische Nierenerkrankungen: Da 10% der Erwachsenen in Deutschland an einer chronischen Nierenerkrankung leiden, sollte dieser Plan adäquate Präventionsmaßnahmen beinhalten, die Vernetzung zwischen Fachärztinnen/-ärzten, Pflegekräften und Patientinnen und Patienten fördern und sämtliche Formen der Nierenersatztherapie wie Dialyse, Transplantation und konservative Therapien vereinen, um den Weg in die Heimdialyse nach eingehender Zusammenarbeit und erfolgreicher Aufklärung sicher zu gestalten und somit eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten.
  8. Förderung der Nierentransplantation: Optimierung der Organspenden durch bessere Information der Bürgerinnen und Bürger und eine Verbesserung und Überprüfung der Prozesse in den Kliniken, damit sichergestellt wird, dass potenzielle Spender zuverlässiger erkannt werden. Ausweitung des Spenderkreises bei der Lebendspende durch das Ermöglichen von Cross-over- Lebendspenden mit der Etablierung eines anonymen Pools. Eine frühzeitige Information der Patienten über die Möglichkeiten der Nierentransplantation und der Nieren-Lebendspende mit einer verbindlichen, zeitnahen Vorstellung in einem Transplantationszentrum sollte sichergestellt werden.
  9. Einführung eines Dialyseregisters zur Erfassung der Güte der Behandlungen: Nur ein Register kann sicherstellen, dass die Heimdialyse auf höchstem Niveau verläuft und zeigen, dass die Patientinnen/Patienten keine gesundheitlichen Nachteile erleiden. Das schafft Vertrauen und kann maßgeblich zur Stärkung der Heimverfahren beitragen.
  10. Die Gründung eines Deutschen Zentrums für Nierenkrankheiten (DZNK), in dem sich Kompetenzzentren für Nierenforschung vernetzen und die dadurch entstehenden Synergieeffekte nutzen, um innovative Diagnose- und Therapiekonzepte zu entwickeln und diese in einem differenzierten und flexiblen Studiennetzwerk kontinuierlich zu evaluieren und in die Praxis umzusetzen. Die Mechanismen der psychosozialen und neurologischen Defizite der Patientinnen und Patienten mit Nierenerkrankungen sollen dabei integriert und intensiver erforscht werden.

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